Ein Ringerteam des TSV Westendorf reist in die USA – zum Leben und Kämpfen in Michigan.
Die Vorfreude ist immens: In den Pfingstferien geht es für 15
Nachwuchsathleten des TSV Westendorf in die USA. An diesem besonderen
Abenteuer nehmen auch einige Elternteile und Trainer aus der Ringerhochburg
im Ostallgäu teil. Mit dabei ist Heidi Ulm, die Mutter der beiden Ringer-Zwillinge
Shailo und Diego. Im Vorfeld hat die gebürtige US-Amerikanerin nicht nur für
die Gastfamilien in Detroit einen englischsprachigen Flyer über den TSV
Westendorf konzipiert, sie hat auch bei den Vorbereitungen für die Reise in die
Staaten mitgeholfen. Sie stand uns Rede und Antwort.
Was erwartet die Westendorfer Reisegruppe 14 Tage in und um Detroit?
Heidi Ulm: Auf die Westendorfer Reisegruppe warten zwei Wochen voller
sportlicher und kultureller Erlebnisse. Gemeinsame Trainings mit den
Ringerteams aus Michigan, ein Ausflug in den Zoo, eine Poolparty, ein
Sanddünenlauf, BBQs, ein Museumsbesuch und natürlich das Kennenlernen der
Gastfamilien sind nur einige der Aktivitäten, die für den zweiwöchigen
Aufenthalt geplant sind.
Kultur, Sport, Musik, Autos – Detroit, eine pulsierende Megacity, in der Nähe der
kanadischen Grenze. Wie schwer ist es für Dich in einer kurzen Zeit die besten
Highlights herauszupicken?
Ulm: Ja, in Detroit und Lower-Michigan gibt es so viele verschiedene
interessante Dinge zu sehen und zu tun, dass es unmöglich ist, in so kurzer Zeit
alles unterzubringen. Ich persönlich war nicht an der Planung der Aktivitäten an
den Gastorten beteiligt, die das Team ansteuern wird. Das haben hauptsächlich
die Trainer in den Clubs gemacht. Sie haben ihr Bestes getan, um unter
Berücksichtigung der Kosten die Aktivitäten auszuwählen, die sie in ihrem
Heimatumgebung in Michigan besonders hervorheben möchten. Für die
Aktivitäten, die etwas mehr Geld kosten, haben einige der Trainer sogar
Sponsoren gefunden, die die Kosten übernehmen.
Viele Amerikaner freuen sich, wenn sie Deutsche sehen. Da wird meistens schnell der
Grill ausgepackt und es gibt Barbecues und tolle Gespräche. Freuen sich die
Gastfamilien schon auf die Allgäuer?
Ulm: Ja, ich glaube, die Gastfamilien freuen sich auf ihre Gäste aus dem Allgäu.
Sonst würden sie sich ja nicht freiwillig als Gastfamilie zur Verfügung stellen. Es
wird für alle eine Lernerfahrung sein. Sowohl die Gastfamilien als auch die
Westendorfer Ringer und Trainer werden die Unterschiede und
Gemeinsamkeiten zwischen der deutschen und der amerikanischen Kultur
kennenlernen. Ich bin mir sicher, falls Ringer aus Michigan einen Gegenbesuch
ins Auge fassen, um Ringen sowie Land und Leute in Bayern zu erleben, wird
Westendorf diese Gastfreundschaft ebenso erwidern.
Wie bereitest Du die Gastfamilien auf ihren besonderen Besuch vor?
Ulm: Ich hatte noch keinen persönlichen Kontakt zu einer der Gastfamilien, aber
ich hatte viele Zoom-Treffen und regen E-Mail-Austausch mit den Trainern der
Vereine, die wir besuchen werden. Sie haben die Familien aus ihrem Verein
organisiert. Die Familien haben Verständnis dafür, dass es ein oder zwei Tage
dauern kann, bis sich ihre Gäste wohlfühlen. Zumal es für viele der jungen
Westendorfer Ringer das erste Mal ist, dass sie allein ohne ihre Familien und in
ein fremdes Land reisen, in dem sie die Sprache nicht vollständig beherrschen.
Die Gastfamilien sind bereit, ihr Bestes zu geben, um die Mannschaft
willkommen zu heißen, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu
gestalten, hungrige Ringer mit Mahlzeiten zu versorgen und ihnen das typische
amerikanische Familienleben zu zeigen.
Die jungen Ringer werden auch eine Highschool besuchen. Das amerikanische
Schulsystem ist mit dem in Deutschland überhaupt nicht zu vergleichen. Du kennst
beide Schularten. Hat alles Vor- und Nachteile?
Ulm: Die beiden Schulsysteme sind definitiv unterschiedlich. Die Schultage sind
in den USA länger, in Deutschland wird Religion als Fach unterrichtet,
Homeschooling ist in den USA erlaubt, das Erlernen einer Sprache ist in
Deutschland Pflicht, die Liste der Unterschiede ist sehr lang. Beide Schulsysteme
haben ihre Vor- und Nachteile.
Was mir am amerikanischen Schulsystem gefällt, ist das Gefühl des Stolzes und
der Gemeinschaft, dass die Schüler in ihrer Schule haben, vor allem auf der
Highschool-Ebene (9. bis 12. Klasse). Ich glaube, das liegt daran, dass viele
Schüler schon in der Grundschule zusammen lernen und dann in der Mittel- und
Oberstufe mit denselben Klassenkameraden zusammen sind. Sie gehen nach
der vierten Klasse nicht auf getrennte Schulen, es sei denn, sie ziehen weg, wie
es hier in Deutschland oft der Fall ist. Auch Sport, Vereine und Aktivitäten sind
ein wichtiger Bestandteil des amerikanischen Schulsystems. Die Schüler sind
stolz darauf, ihre Schule bei Sportveranstaltungen und Aktivitäten zu vertreten.
Was mir am deutschen Schulsystem gefällt, ist der hohe Stellenwert, der der
Berufsvorbereitung und der Berufswahl beigemessen wird. Die Anforderung an
die Schüler, während der Schulzeit Praktika zu absolvieren, hilft ihnen, Berufe
auszuwählen, an denen sie vielleicht interessiert sind oder falschen
Berufsvorstellungen zu korrigieren. Die Kombination von Unterricht im
Klassenzimmer und praktischer Berufsausbildung ist in Deutschland definitiv
einzigartig im Vergleich zu den USA.
Ist es für Dich wieder ein „nach Hause kommen“?
Ulm: Ich freue mich immer, wenn ich nach Michigan zurückkehren kann. Dieses
Mal freue ich mich besonders, weil ich unserer Westendorfer Ringerfamilie
zeigen kann, wo ich aufgewachsen bin. Obwohl ich seit fast 23 Jahren in
Deutschland lebe, betrachte ich Michigan immer noch als meine „Heimat“. Seit
ich hierhergezogen bin, habe ich das Glück, mindestens einmal im Jahr nach
Michigan zurückkehren zu können, außer natürlich während der Coronazeit.
Wenn wir, Erich, Shailo, Diego und ich, wieder in Michigan sind, wohnen wir
immer bei meinen Eltern. Das letzte Mal waren wir zu Weihnachten 2022 dort,
es ist also schon über ein Jahr her, dass wir das letzte Mal in Michigan waren.
Diesmal wird es ein bisschen anders sein, denn Erich und unsere Jungs werden
bei Gastfamilien wohnen und nicht bei mir zu Hause bei meinen Eltern. Meine
Eltern werden sicher versuchen, Erich und die Jungs in den zwei Wochen so oft
wie möglich zu treffen, und ich freue mich darauf, meine Freunde und meine
Familie zu treffen, die ich nicht so oft zu Gesicht bekomme.
Was vermisst Du in Deutschland?
Ulm: Am meisten vermisse ich meine Familie und meine Freunde und die
Tatsache, dass ich nicht immer bei ihnen sein kann, um verschiedene
Lebensereignisse, Feiertage und Festivitäten zu feiern. Zum Glück hat mir die
Technologie dabei geholfen, seit ich hierhergezogen bin. Mit Videoanrufen und
WhatsApp kann ich täglich mit ihnen in Kontakt bleiben und habe das Gefühl,
bei ihnen zu sein, auch wenn sie so weit weg sind.
Ich vermisse auch die Vielfalt und Auswahl an Produkten, die im Supermarkt
erhältlich sind, und die Verkaufspreise für Kleidung und Schuhe in den
Geschäften. Wenn ich wieder in Michigan bin, plane ich immer mehrere
Einkaufstage, an denen ich die Dinge kaufe, die ich in Deutschland nicht
bekommen kann oder die zu teuer sind.
Interview: Stefan Günter
Sie freuen sich auf die besondere USA-Reise mit den Nachwuchsathleten (von links): Trainer Erich und Heidi Ulm, Nachwuchscheftrainer Jürgen Stechele, Jugendleiter Jens Rarek und Ringer-Abteilungsleiter Klaus Prestele. Foto: Stefan Günter