Nicht einmal in den kühnsten Träumen war damit zu rechnen: Doch am Ende ist es Niklas Stechele, der bei der U23-Europameisterschaft als einziger Athlet des Deutschen Ringer-Bundes seinen Auftritt vergoldete. Der 23-Jährige machte sich in Bukarest nachträglich das wohl das schönste Geburtstagsgeschenk seines Lebens.
Als Stechele am vergangenen Samstag gegen 17 Uhr unserer Zeit die Matte betrat, war es mucksmäuschenstill in der Trainingshalle des TSV Westendorf. Gespannt blickten über 50 Erwachsene und zahlreiche Kinder auf die Leinwand, um via Livestream der UWW das Goldduell zu verfolgen. Stechele hatte es im Finale mit Tolga Ozbet zu tun. Zur Pause führte der Westendorfer mit 4:2-Wertungsspunkten, hatte also noch weitere drei intensive Minuten vor sich. 180 bangende Sekunden, die für viele in der Halle eine Ewigkeit waren. Denn der Türke versuchte ein ums andere Male die entscheidende Wertung zu setzen. Doch Niklas Stechele wehrte sich gekonnt und brachte den knappen Vorsprung über die Zeit. Frenetischer Jubel in der TSV-Trainingshalle, Begeisterung bei vielen Anhängern der Westendorfer Ringer, die den Kampf auf ihrem Handy oder Rechner verfolgten. „Als Niki das Duell gewann, sind wir alle durchgedreht. Es ist einfach megageil. Es ist Historisches passiert“, so Vereinsvorstand Robert Zech, der nach dem Finalkampf noch völlig aus dem Häuschen war.
Im rund 370 Kilo entfernten Aschaffenburg hing auch Marcel Fornoff, Landestrainer des Bayerischen Ringer-Verbandes für den Freistil, gespannt am Handy. „Es ist eine Wahnsinnsleistung, was Niki über das gesamte Turnier gezeigt hat“, klatscht der Cheftrainer Beifall. Der Auftritt sei Weltklasse gewesen. Schon die Kämpfe davor gegen den Schweizer Thomas Epp und den Georgier Luka Gvinjilia habe Stechele souverän gemeistert. Je länger er erzählt, desto mehr kommt Fornoff ins Schwärmen. „Wir können alle stolz darauf sein.“ Das Wettkampfjahr 2023 ist noch in vollem Gange, „doch ist es schon jetzt perfekt“, betont der Landestrainer. Egal wie die kommenden Monate für ihn noch verlaufen werden, der Gewinn der Goldmedaille sei für den Westendorfer ein weiterer Höhepunkt seiner bisherigen Karriere.
Und genau diesen Sensationserfolg erlebte Thomas Stechele hautnah in Bukarest mit. Von der Tribüne aus verfolgte er den Finalkampf seines Sohnes. „Die letzten Sekunden habe ich heruntergezählt und einfach nur gehofft, dass nichts mehr passiert. Sein Gegner war nicht weit weg, er hatte stets die Chance zu punkten. Doch Niki war topfit und total fokussiert.“ Thomas Stechele kann es mit Worten nicht beschreiben, wie stolz er auf seinen Sohn ist. Umso emotionaler war dann auch für ihn die Siegerehrung. „Wenn du merkst, dass sie die Hymne für dein Kind spielen, dann läuft es mir noch jetzt eiskalt den Rücken herunter.“ Nach dem großartigen Erfolg seines Sprösslings musste auch er alles einmal sacken lassen. Bewusst habe er das Handy ausgelassen und den Moment einfach genossen. Der historische Gewinn der Goldmedaille soll natürlich auch ausgelassen gefeiert werden. Der TSV Westendorf plant eine Willkommensparty für den EM-Helden. Spätestens am Wochenende wird Niklas Stechele in seiner Heimatgemeinde erwartet.